Dienstag, 9. Oktober 2007

fünf Fragen kurz beantwortet..

Was machst du eigentlich die ganze Zeit?

Nach drei Monaten erst das zweite Mal den Blog aktualisieren, das hatte ich eigentlich schneller geplant. Ist allerdings nicht so schlimm, spiegelt es doch ganz gut mein Leben hier wieder, das doch deutlich langsamer und ruhiger verläuft, als in Deutschland. Bis mittags arbeite ich in der Vorschule Oscar Arnulfo Romero, gehe danach erst mal eine kurze Mittagspause einlegen, erledige dann eventuell noch die ein oder andere Aufgabe für die Vorschule und abends geht es entweder kicken oder Gitarre spielen. Zwischendrin bleibt dann auch immer noch mal Zeit um ein bisschen zu lesen. Am Wochenende ist immer viel möglich, denn Nicaragua ist zwar wirtschaftlich gesehen arm, jedoch an Natur, Kultur und sonnigen Tagen ausgesprochen reich; was ich besonders am Wochenende genießen kann.
Es gibt nur weniges, was mich hier im Moment in Stress versetzen kann und somit finde ich, habe ich mich in diesem Aspekt schon ganz gut an die Mentalität der Leute angepasst. Denn die habe ich bis jetzt als sehr gelassen und ruhig wahrgenommen.
Doch nicht nur daran habe ich mich schon angepasst, sondern auch den sonstigen Lebensbedingungen; ganz besonders hervorzuheben, das Essen, denn ich muss zugeben es war nicht immer nach meinem Geschmack. Auch wenn es viele tolle Früchte gibt, die einem hier fast hinterhergeschmissen werden, ist die Kost ansonsten nicht immer allzu ausgewogen, denn Reis und Bohnen machen den Hauptanteil der täglichen Kalorien aus. Die ganze Familie belächelt mich immer noch wohlwollend, wenn ich meine Karotten zum Abendessen roh esse, denn hier wird normalerweise mit Vorliebe alles weich gekocht und frittiert gegessen. Aber umso länger man hier ist, umso mehr Gerichte lernt man kennen und umso besser schmeckt es auch.


..und was läuft da in der Vorschule??

Nun aber mal zu dem eigentlichen Ziel dieses Posts; ich möchte ein bisschen meine Arbeit vorstellen.

Erst mal eine kurze Vorstellung des Teams:
Maritza, die Direktorin, verwaltet hauptsächlich und macht die Spendenabrechnungen.
Rosa, Lehrerin der dritten Klasse.
Lucia, Lehrerin der ersten und zweiten Klasse.
Marisol, Köchin.
Herminia, erledigt die Einkäufe.

Während des Vormittages passiert dort folgendes:
Um 7:30 geht es los, die ersten Eltern bringen ihre Kinder (zwischen zwei und fünf Jahren) vorbei, die sich erst mal an die- für mich winzig kleinen- Holztische setzen und entweder noch halb schlafend in der Gegend rumstarren und an einem Lutscher lutschen, anfangen mit Legosteinen rumzubasteln oder schon zu dieser frühen Stunde in den zwei Klassenräumen herumtoben.
Um 8:00 sollte normalerweise der ‚Unterricht’ angefangen werden, was sich jedoch immer herauszögert, weil viele Eltern oder die damit beauftragten Geschwister, Tanten, Onkels, Opas oder Omas total unpünktlich beim abliefern der Kinder sind. Dann wird erst mal das Repertoire an Liedern gesungen was man gelernt hat, kurz gebetet und eine Anwesenheitsliste geführt. Manchmal sind leider nur die Hälfte der Kinder da, weil sie entweder angeblich krank sind, keine Lust haben, der Regen zu stark ist, wer weiß...
Danach wird dann im ‚Unterricht’ ein Thema besprochen, etwas anhand von Bildern erklärt oder eine Geschichte erzählt wozu die Kinder danach meistens etwas Passendes malen oder basteln sollen.
Um 9:00 ist eine halbe Stunde Pause, in der die Kinder, die von ihren Eltern einen Peso mitbekommen haben, sich bei der Pulperia gegenüber etwas kaufen dürfen. Für mich ist es ziemlich unverständlich so etwas zu erlauben, denn die Kinder kaufen sich entweder Chips, Bonbons, Kekse oder Lutscher und ab und zu Früchte oder einen Fresco. Ist ja auch klar, hätte ich als kleines Kind wahrscheinlich auch gemacht. Dementsprechend sehen leider auch die Zähne vieler Kinder aus. Die Eltern und die Erzieherinnen stört das aber nicht weiter und auch wenn ich ab und zu wieder dezent darauf hingewiesen habe, dass es vielleicht besser wäre, vom Preescolar aus etwas zu besorgen um den Kinder etwas Gesünderes geben zu können, hat sich daran erst mal noch nichts geändert.
Des weiteren darf in der Pause entweder im Garten oder im Klassenraum gespielt werden. Es gibt zwei Fuss- und zwei Wasserbälle, ein paar kaputte Plastikspielzeuge und Legosteine. Da die meisten Spielzeuge irgendwann mal von jemandem als Spende mitgebracht wurden, gibt es leider fünf verschiedene Arten von Legosteine und somit nur wenige die auch aufeinander passen. Zudem minimiert sich die Zahl der Spielzeuge mit der Zeit, denn manchmal landet ein Spielzeug das gut gefällt in einem der kleinen Rucksäcke und wird mit nach Hause transportiert. Es gibt jedoch ab und zu auch mal den positiven gegenteiligen Fall, denn wenn ein Kind ein Spielzeug geschenkt bekommen hat, das es unbedingt stolz den Freunden zeigen will, wird es dann im Laufe der Zeit möglicherweise vergessen und erweitert somit das Repertoire der Vorschule. Zu den kleinen Rucksäcken haben manche der Kinde übrigens eine ganz besondere Beziehung, denn auch wenn es gar nichts gibt, was darin mitgenommen wird, wird der Rucksack erstens mitgebracht und zweitens den ganzen Vormittag nicht abgesetzt, man hat sich ja schon so daran gewöhnt. So können sie ihn wenigstens nicht verlieren.
Nach der Pause geht es weiter und die Kinder kriegen noch mal eine Aufgabe, bei der sie sich etwas konzentrieren müssen; die Älteren lernen schon das ABC und die Zahlen, die Kleineren lernen erst mal gerade Linien oder Formen zeichnen. Umso später es wird, umso weniger Kinder sind noch mit ihrer Aufgabe beschäftigt und die Lautstärke steigt, sodass ich oftmals recht froh bin, wenn es endlich um 11:00 Mittagessen gibt. Jedoch ist leider nicht immer genug Geld in der Kasse, sodass ab und zu das Mittagessen ausfällt und die Kinder zu Hause essen müssen. Bis um 12:00 holen die Eltern ihre Kinder ab, bis dahin ist dann noch mal freie Spielzeit und ich lasse mich immer wieder von den Kindern dazu überreden sie in der Luft herumzuwirbeln; mittlerweile sogar eine Sache, die ich einsetze um die Kinder zum Aufräumen zu bewegen.

Ok, aber was machst du ???

Meine Aufgabe während des ganzen Zirkus ist es vor allem, den Lehrerinnen beim Unterricht zu helfen. Ich helfe dann den Lehrerinnen, die Kinder ruhig zu kriegen oder zu behalten, Sachen zu zeigen und zu erkären, Material zu verteilen und vor der Zerstörung zu bewahren oder einen Streit zu schlichten. Wie ich gemerkt habe ist es sehr anstrengend auf so viele Kinder vor allem diesen Kalibers aufzupassen und ihnen sogar noch etwas beizubringen, sodass glaube ich alle ganz glücklich sind, dass ich da bin. In den Pausen und am Ende des Vormittages bin ich dann oft ziemlich der einzige der mit den Kindern richtig spielt, worüber sich dann auch hauptsächlich die Kinder freuen.
Ab und zu vertrete ich auch mal Rosa oder Lucia komplett, weil sie krank sind oder auf einer Versammlung oder ähnlichem. Das ist dann oft gar nicht so leicht, denn für viele Kinder bin ich zwar ein profesor auf den man hören muss, spiele aber auch oft mit ihnen und somit nicht ganz so autoritär wie die maestras. Grundsätzlich fehlt einigen Kindern einiges an Erziehung und sie sind ziemlich frech, sodass da noch einiges an Nachholbedarf vorhanden ist. Manche schlagen auch ziemlich schnell oder schmeissen Sachen durch die Gegend und hören auf kein Wort.
Nach dem Unterricht sitzen alle Mitarbeiter noch mal in dem kleinen Büro der Direktorin, wo es aufgrund von geringem Platz jedoch großem Körpervolumen der Mitarbeiterinnen gut eng wird. Dort wird kaffeekranzmäßig geschwatzt und für mich ist es immer ziemlich schwer dem Gesprächsthema zu folgen, denn es wird ohne Punkt und Komma geredet. Für mich ist dann oft noch die ein oder andere Aufgabe offen, die ich entweder direkt vor Ort oder dann zu Hause erledige. Das kann sein einen Brief zu verfassen, Abrechnungen abzutippen oder andere Aufgaben am PC zu erledigen, womit sich die anderen nur schlecht auskennen. Ab und zu gibt es auch noch Material für den Unterricht zu basteln.

Ist das denn eine ganz normale Vorschule????

Nicht ganz. Die Vorschule wird ausschließlich durch Spenden aus Europa (besonders Spanien) finanziert und erhält keine Förderung vom Staat, ist insofern privat. Die Eltern müssen nichts bezahlen, es gibt nur einen freiwilligen Beitrag, den auch einige Eltern jeden Monat zahlen. Die Vorschule ist ein Projekt der Comunidades Christianas de Base aus Masaya, die auch noch eine Kindertagesstätte und andere soziale Institutionen in der Stadt unterstützt. Falls einmal nicht hundert Prozent der Fördergelder überwiesen werden, kann mittags kein Essen ausgegeben werden, der Strom nicht bezahlt werden oder die Mitarbeiterinnen kriegen nicht ihr volles Gehalt.
Teile der Gebäude und des Materials sind übrigens von meinem Trägerverein Monimbó Dietzenbach finanziert worden und somit wurde auch der Kontakt hergestellt, durch den ich nun zu dieser Arbeit gekommen bin.

Was sind das denn für Kinder in der Vorschule?????

Die Kinder der Vorschule kommen alle aus dem Barrio Monimbó in dem auch ich wohne und welches ein Viertel von Handwerkern und Handarbeitern ist. Hier werden hauptsächlich Schuhe, Möbel, Lederprodukte vom Schlüsselanhänger bis zum Pferdesattel oder Holzkunst produziert und auch Brot gebacken.
In diesen Berufen wird man hier nicht reich, eher das Gegenteil ist der Fall, einige leben am Rande des Existenzminimums. Infolgedessen gibt es viele soziale Probleme und auch das äußere Erscheinungsbild des Barrios entspricht den Einkommensverhältnissen. In den höheren Lagen gibt es nur selten Druck auf den Wasserleitungen und viele Teile sind nicht ans Abwassernetz angebunden (das Abwasser fließt aber leider sowieso ungeklärt in die ehemals wunderschöne Laguna de Masaya). Die Straßen, wenn vorhanden, sind schlecht und der Strom fällt oft aus, auch wenn nach Widerstand der Bewohner gegen die im Rest der Stadt üblichen Stromsparstunden der Strom nicht täglich abgestellt wird.
Das Viertel gehört also zu den ärmeren der Stadt und somit ist auch das Zuhause vieler Kinder, die in die Vorschule kommen, nicht immer das reine Kinderparadies.
Wenn ich im bisherigen Bericht von schlechter Erziehung oder auch unverantwortungsvoller Ernährung geschrieben habe, muss das alles mit diesem Hintergrund aufgenommen werden.
Die Vorschule bietet für viele Eltern eine willkommene Entlastung und ermöglicht manchen auch erst eine Arbeit zu verfolgen, weil sie nicht mehr auf die Kinder aufpassen müssen. Zudem kriegen ihre Kinder eine kostenlose reichhaltige Mahlzeit, oft mit Fleisch und Gemüse.
Ein weiterer Vorteil für die Eltern ist auch die räumliche Nähe, sodass sie nicht allzu viel Zeit verlieren, da keine der Familien ein Auto besitzt, mit dem man die Kinder bringen oder abholen könnte.

Mir macht die Arbeit viel Spass und ich denke es ist gut seine Energie und Motivation in das zukünftige Potential des Landes zu stecken und so vielleicht einen kleinen, aber feinen Beitrag zur Entwicklung des Landes zu leisten; denn man sollte nicht unterschätzen wie wichtig auch die frühe Kindheit für die Entwicklung einer Persönlichkeit ist. Zudem habe ich die Kinder schon wirklich lieb gewonnen und bin jetzt schon ein bisschen traurig wenn manche nächstes Jahr zur Grundschule gehen. Ich hoffe dass alle ihre Schullaufbahn beenden werden und nicht wie viele hier irgendwann im Laufe der Zeit abbrechen. Leider passiert das hier viel zu oft und viel zu viele Kinder gehen nicht mehr in die Schule; weil sie Geld verdienen müssen oder die Eltern sich nicht darum kümmern, dass sie ordentlich zur Schule gehen.

Bis dahin, liebe Grüße an alle,

schaut mal wieder vorbei und denkt ab und zu daran, was sonst noch so in der Welt passiert.

Demnächst stelle ich einen Artikel über meine Eindrücke und die Situation des Landes online, den ich im Moment für eine Schülerzeitung schreibe; es lohnt sich also.

Euer Sebastian

Freitag, 5. Oktober 2007

neue Bilder!


Hier schon mal ein paar Bilder aus der Vorschule, der entsprechende Post kommt nächste Woche!
Viel Spass